DER SEETEMPEL
Travemünde hat wieder einen Seetempel
von Karin Schütt
Die Lübecker Jugendbauhütte hat 2012 in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck e.V. den Brodtener Seetempel nach einer Lithographie aus dem St.-Annen-Museum in Lübeck originalgetreu rekonstruiert.
Das Original wurde 1829 am Brodtener Ufer errichtet und fiel ein halbes Jahrhundert später 1872 der Ostsee-Sturmflut zum Opfer.
Der Seetempel findet mehrfach Erwähnung in den „Buddenbrooks“.
Als Werbeträger für das Weltkulturgut Lübeck wurde er auf der Leipziger Messe in der Halle, zu weiteren Anlässen auch in Stralsund und in Lübeck aufgebaut. 2014/2015 war er im Garten des Behnhauses abgestellt.
Der sechseckig-symmetrische Seetempel besteht aus Kiefernholz und hat eine Grundfläche von rd. 10qm.
Seit Juni 2024 steht der Seetempel wegen aufgelaufener Vegetation und aus Naturschutzgründen einige hundert Meter nördlich vom originalen Standort entfernt.
Geschichte des Seetempels am Brodtener Ufer
von W. R. Ohlhoff
Der ursprüngliche Pavillon „Seetempel“ wurde ca. Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut. Von ihm existiert eine Farblithographie um 1870. Die Lithographie befindet sich im Besitz des St. Annen-Museums. Dieser Pavillon stürzte bei der Sturmflut 1872 vom Hochufer ins Meer und verschwand spurlos in der Lübecker Bucht. 1898 wurde 30 m von seinem Standort ein kleiner Fachwerkbau errichtet. Er diente als Café und Restaurant. 1900 wurde das Café und Restaurant „Seetempel“ um eine Veranda und einen Kaffeegarten direkt an der Abbruchkante erweitert. Im Zuge dieser Baumaßnahmen wurde an der Stelle des abgestürzten Unterstandes ein kleiner hölzerner Pavillon in geschlossener Version mit Fenstern im Fachwerkstil errichtet. Architekt des erneuten Umbaus des Haupthauses und des Pavillons war der Lübecker Architekt Heinrich Hagen. 1930 fielen das Restaurant und Café „Seetempel“ sowie der kleine Pavillon einem Feuer zum Opfer.
Tony Buddenbrook in Travemünde
¹ … Sie gingen in diesem weiten, still sausenden Frieden am Meere, der jedes kleine Geräusch, ob fern oder nah, zu geheimnisvoller Bedeutung erhebt … Links befanden sich zerklüftete Abhänge aus gelbem Lehm und Geröll, mit immer neu hervorspringen Ecken, welche die Biegungen der Küste verdeckten. Hier, irgendwo, weil der Strand zu steinig wurde, kletterten sie hinauf, um droben durch das Gehölz den ansteigenden Weg zum Seetempel fortzusetzen. Der Seetempel, ein runder Pavillon, war aus rohen Borkenstämmen und Brettern erbaut, deren Innenseiten mit Inschriften, Initialen, Herzen, Gedichten bedeckt war … Tony und Morten setzten sich in eine der kleinen abgeteilten Kammern, die der See zugewandt waren, und in denen es nach Holz roch wie in den Kabinen der Badeanstalt, auf die schmale roh gezimmerte Bank im Hintergrunde. Es war sehr still und feierlich hier oben um diese Nachmittagsstunde. … Geschützt vor dem Winde, der bislang um ihre Ohren gespielt hatte, empfanden sie plötzlich eine nachdenklich stimmende Stille. …¹
¹ W. R. Ohlhoff, Auszug aus Thomas Mann/Buddenbrooks
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