2005 – Heft 3 / 324
K R I T I C U S
lebt in einer großen Familie mit einer funktionierenden Aufgabenteilung.
Die berufstätigen jungen Leute mit ihren Kindern sorgen z. B. dafür, daß im kleinen Garten alles schön grünt und blüht, daß der Rasen immer gemäht wird und im Winter die Wege schnee- und eisfrei sind. Die Hausfrau ist viel unterwegs und betreut hilfsbedürftige Mitbürger. Ja, und der KRITICUS ist für die Verwaltung zuständig.
Da er am meisten Zeit hat, ist er auch noch für die Versorgung zuständig, d.h. er muß die Verpflegung einkaufen. Darin ist er mit der Zeit zum Spezialisten geworden. Er studiert die Angebote in Zeitung und Werbeprospekten, vergleicht Preise und Qualität und ist fürwahr ein ausgesprochener Fachmann auf dem Gebiet der Lebensmittelökonomie geworden. Auch andere Angebote, die in den Bereich Textilien, Werkzeug usw. fallen, werden von ihm studiert, um eine eventuelle Anschaffung ins Auge zu fassen. Besonders erfreulich findet der KRITICUS, daß er bei seinen Einkaufsgängen viele Freunde und Bekannte trifft, mit denen er dann einen kleinen Klönschnack hält. Das verzögert zwar die Besorgungszeit, KRITICUS erfährt aber dabei so manche Neuigkeit, die er unter Umständen auch für seine kritischen Bemerkungen gebrauchen kann.
Aber auch bei seiner Einkaufstour durch die vielen Supermärkte und Discounter in Travemünde beobachtet der KRITICUS Mitbürger, die seinen kritischen Sinn herausfordern. Da er im Laden einen Disput vermeidet, möchte er doch heute einmal darüber berichten, was er so manchmal erlebt und mit kritischen Augen wahrnimmt. Es ist ja immer etwas spannend, wenn in einem vollen Geschäft mehrere Kassen geöffnet sind, benutzt er die Gelegenheit immer für ein kleines Spiel. Der Mensch, der an der Nachbarkasse in der Schlange auf gleicher Höhe steht, ist sein Spielpartner, nur, der weiß nichts davon. Wer zuerst an der Kasse ist, hat gewonnen. Aber während dieser Wartezeit macht der KRITICUS seine spannendsten Beobachtungen. Da gibt es zum Beispiel den Schleusertrick.
Da gibt es zum Beispiel den Schleusertrick. Steht da einer ohne Einkaufswagen in der Menschenschlange, der suchend um sich blickt, ruft plötzlich: „Emma, hier bin ich!“ Die Dame taucht mit einem randvollen Einkaufswagen auf, stellt sich mit unschuldigem Blick und ablenkendem Geplauder an die Stelle ihres Gatten. Das Volk dahinter ist verblüfft und mitunter verärgert. Diese Methode erinnert den KRITICUS an Kriegs- und DDR-Zeiten, wo sich besonders vor Lebensmittelgeschäften häufig lange Schlangen bildeten, wenn Ware eingetroffen war.
Weil man häufig lange warten mußte, bis man an der Reihe war, lösten sich Familienmitglieder oder Freunde gegenseitig ab, das war damals in Ordnung, weil es alle machen mußten. Aber heute, nur um vielleicht fünf Minuten sparen zu wollen?
Interessant ist auch die Beobachtung, wenn eine zusätzliche Kasse geöffnet wird, wie dann selbst unsportliche Menschen einen Start hinlegen, der einem Sprinter alle Ehre machen würde. Aber hierfür hat der KRITICUS durchaus noch Verständnis, denn lange Schlangen vor einer Kasse registrieren alle Kunden außerordentlich kritisch, weil sie oft nicht sein müßten.
Wenn im Sonderangebot Dinge feilgeboten werden, die der Heimwerker gut gebrauchen kann, z.B. Küchen- oder Badewannenarmaturen, Türklinken, Fenstergriffe und ähnliche Dinge, dann muß man sich beeilen. Weil nämlich der Großeinkäufer zuschlägt, häufig mit einem Partner. Dann landen schon mal größere Mengen dieser begehrten und meist recht preisgünstigen Artikel in den Einkaufswägen. Solches Geschehen hat der KRITICUS selbst erlebt. Er wollte eine Brausearmatur für seine Dusche kaufen, als just vor ihm ein Kunde alle noch vorhandenen Geräte in seinen Wagen packte. Auf seine bescheidene Bitte um ein Exemplar gab ihm der Herr immerhin beinahe gnädig eine Armatur ab und der KRITICUS bedankte sich noch dafür.
Dann gibt es da noch den Prüfer. Am Gemüse- und Obststand nimmt er jede Zucchini oder Tomate, jeden Apfel oder Pfirsich in die Hand, drückt und quetscht das unschuldige Gemüse, schnuppert daran und erst, wenn er jedes Exemplar durchgetestet hat, geht er weiter. Auf Wochenmärkten ist diese Prüfmethode verboten, und die Marktfrau wird ganz böse, wenn ein Kunde ihre Ware begrabscht. Deswegen kauft der KRITICUS gerne abgepackte Ware.
An der Kasse kann es passieren, daß die Abfertigung sich deswegen verzögert, weil z.B. ältere Herrschaften Zeit brauchen, um ihr Geld zu sortieren. Dafür hat der KRITICUS vollstes Verständnis, nur wenn damit ein langatmiges Gespräch über Rheumatismus oder andere Leiden verbunden ist, hüstelt er mitunter aufmunternd in Richtung Kassiererin. Natürlich sind alle diese Begebenheiten nur Kleinigkeiten am Rande des menschlichen Zusammenlebens. Aber wir haben Sommer und Urlaubszeit, da wollte er nicht politisch werden, sondern über ein alltägliches Verhalten berichten. Sollte sich trotzdem ein Leser getroffen fühlen, dann bittet er um Entschuldigung, der
zurück zur Übersichtsseite KRITICUS