„Die Lotsenstatue“
Kieler Kunstkeramik in Travemünde
In Travemünde findet man ein Kuriosum besonderer Art. Und zwar in Gestalt einer drei Meter hohen Großplastik:
„Die Lotsenstatue“
Dieses herausragende Werk der Kieler Kunst-Keramik wurde 1925 vom Hamburger Bildhauer Ludwig Kunstmann (1877-1961) erschaffen.
Die Kieler Kunst-Keramik, gegründet 1924, war eine Manufaktur, in der künstlerische Plastiken auf hohem Nivea entstanden.
Die Statue heißt eigentlich „Der Seemann“ und wurde für das „Kurgarten-Haus“ in Travemünde entworfen, das früher an der Ecke Kurgartenstrasse/Am Lotsenberg stand.
Das Kurgartenhaus war Unterkunft für Werftarbeiter, Krankenhaus und zuletzt Hotel.
Es wurde 1973 abgerissen und musste einer Eigentums-Wohnungsanlage weichen.
Die Statue ist monumental aufgebaut aber doch sehr fein empfunden. Das Antlitz drückt Ergebenheit aus und wendet sich ab von allem Kleinlichen in der Welt. Die Art der Darstellung stimmt den Betrachter nachdenklich, weist aber auch auf die Gewalten des Meeres hin.
Früher schmückte „Der Seemann“ in dunkler braunroter Klinkerkeramik den großen Ziegelbau des Kurgarten-Hauses. Nach dem Abriss des Gebäudes galt das Kunstwerk in Fachkreisen als verschollen. Aber die Statue wurde in einem Schuppen gegenüber dem Leuchtturms eingelagert.
Der Schuppen gehört zum Lübecker Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA), zu dem auch die Verkehrzentrale (im Volksmund Lotsenstation) gehört. Dort wurde die Figur dann aufgestellt und hält seitdem Ausschau nach einlaufenden Schiffen.
Auf der Bronzeplatte zu Füßen der Statue wird fälschlicherweise der Titel „Lotsenstatue“ genannt.
Im Jahr 1993 wurde die Figur restauriert und dabei leider mit einer braunen Spezialfarbe versiegelt. Diese Übermalung und die Umbenennung haben zu einer unzulässigen Entstellung des Kunstwerks geführt.
Die einzigartige Authentizität von 1925 ist verloren gegangen.
Der Bezug zur Kieler Kunst-Keramik ist durch die Eingriffe nicht mehr vorhanden. Die typische keramische Oberfläche und die charakteristischen Fugen fehlen vollständig.
Trotz allem ist die „Lotsenstatue“ für Travemünde ein wichtiges Kunstwerk und wird von vielen Besuchern bestaunt.
von Gunter Bokholt
Leserbrief eines Zeitzeugen
Ergänzung zu Ihrem Artikel in „Unser Travemünde“ zum Stein-Lotsen an der Lotsenstation:
Diese Statue stand am „Kurgartenhaus an der Ecke Kurgartenstrasse/Am Lotsenberg. Das Kurgartenhaus wurde durch ein Feuer zerstört und abgerissen. Die Bagger machten ganze Arbeit, fingen an der Ecke des Hauses an, ohne Rücksicht auf die Statue. Glücklicherweise kam Richard Schrader an den Schotterbergen vorbei und sammelte die total zerstörte LOTSENstatue (weil Lotsenberg) wieder aus den Schuttbergen auf. Die Stücke waren zwischen 20 cm und 50 cm groß. Diese zusammengetragenen Teile wurden auf zwei Europaletten in der Firma Schrader KG am Brodtener Kirchsteig eingelagert.
Als die Firma aufgegeben wurde, übergab man mir die beiden Paletten, die dann erst einmal in dem alten Bootsschuppen am alten Leuchtturm gelagert werden konnten. Zwischenzeitlich versuchte ich über die Firma Rechtglaub-Wolf (Steinmetz in Lübeck) die Statue im Rahmen der Lehrlingsausbildung wieder restaurieren zu lassen. Dann ergab es sich, dass der neue Turm der Revierzentrale vor der Lotsenstation gebaut werden sollte. Der damalige Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes wurde von mir auf die Statue angesprochen und erklärte sich bereit, im Rahmen „Kunst am Bau“ den Steinlotsen wieder restaurieren zu lassen.
Da der ursprüngliche „Rück“-halt an der Ecke des Kurgartenhauses nicht mehr vorhanden war, wurde die Statue auf eine ca. 10 cm dicke Edelstahlplatte mit einer starken Edelstahlsäule zusammengesetzt. Die untere hintere (offene) Hälfte wurde verschlossen. Um nun ein Eindringen von Regenwasser in die vielen kleinen und großen Fugen zu vermeiden, wurde die Figur mit einem Schutzanstrich versehen.
Obwohl schon lange im Ruhestand, habe ich die Lotsenstatue noch immer im Blick und nach Rücksprache mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt wird der Steinlotse jetzt nach 25 Jahren neu konserviert.
Kapitän Henning Wulff
Travelotse i. R.
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