Travemünder Notizen
Heft 3 / 383 Juli bis September 2020
05.–08. April 2020: Einlaufende Schiffe sehen das Blinken unseres Leuchtfeuers an Steuerbordseite. Jetzt kommt auch ein „herziger“ Gruß in der Dunkelheit vom Maritim-Hotel. Ein paar Fenster sind so illuminiert, dass ein Herz zu sehen ist. Vielleicht auch ein Gruß an die Gäste, welche willkommen sind, wenn die Hotels wieder alle Fenster leuchten lassen können.
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Lust auf Eis? Nach vorheriger telefonischer Bestellung (geht mit dem Handy auch direkt vor der Tür) kann man sein Eis beim Eiscafé mit Abstand abholen und 100 m weit entfernt auf einer Bank, ebenfalls mit Abstand oder mit einer Person aus einem Haushalt ohne Abstand, genießen. Schwierig scheint es, aber das Eis ist lecker wie immer! Viele nehmen das Prozedere auf sich.
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10.–16. April: Ein Gruß aus Travemünde für auslaufende Schiffe an Backbordseite. Das a-ja Hotel grüßt mit einem stilisierten „SEE U“ (see you) in seinen Fenstern. Dieses „Aufwiedersehen“ oder aber auch „Bis zum nächsten Mal“ gilt sicher auch für die Hotelgäste dieses Hotels, wenn es wieder seine Türen öffnen kann.
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Nach und nach gehen die Anlaufstornierungen von Kreuzfahrtschiffen bei der Lübecker Hafengesellschaft (LHG) ein.
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Wir erleben ein sonniges und warmes Osterfest. Ein Osterfest anders als sonst. Ohne Osterfeuer und ohne Ostermündes Ostereierparade. Und dennoch lockt das Wetter viele Leute an den Strand. Da Tagesgäste nicht zugelassen sind, hält sich das Ganze in Grenzen. Alle halten Abstand und sich an die Erlasse. Die Polizei ist sehr zufrieden mit dem Ablauf und hat wenige Verstöße zu bearbeiten.
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Zum Glück wurde ein Lagerfeuer im Wald am Kalvarienberg frühzeitig entdeckt und konnte von der Feuerwehr schnell gelöscht werden. Da wieder eine ziemliche Trockenheit vorherrscht, wurde dabei Schlimmeres verhindert.
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Geschäfte bis zu einer Verkaufsfläche von 800 qm dürfen wieder öffnen. Auflagen sind hierbei u. a. Hygieneregeln und Abstandsregeln.
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17.–19. April: Weltweit ist man betroffen von Corona. Vom Hafen von Abu Dhabi aus startet eine Aktion. „Horns of Hope“. Gleichzeitig ertönen zu einer verabredeten Uhrzeit die Typhone der Schiffe in den Häfen. Das Ziel: Man will für die Seeleute in aller Welt, für die Menschen welche im Gesundheitswesen und an der Erfüllung aller systemrelevanten Aufgaben arbeiten und denjenigen, die in vorderster Linie mit COVID-19 umgehen müssen, Anerkennung und Unterstützung in der Corona-Krise signalisieren. Auch die LPA Lübeck übernimmt diese Idee. Alle Schiffe im Lübecker Hafen sind dazu aufgerufen, ihre Schiffshörner tönen zu lassen und das Zeichen der Hoffnung mit weiterzutragen. Dies wollen auch Menschen in Travemünde hautnah erleben. Bei uns fällt es etwas leise aus. Das liegt aber auch daran, dass sich unser Hafen von den Stadthäfen bis hin zum Skandinavienkai erstreckt.
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Das Land hat einen neuen Runderlass herausgegeben. Die Hansestadt erlässt daraufhin eine neue Allgemeinverfügung. Es kommt u. a. zu leichten Lockerungen bei den Besuchsregelungen für Krankenhäuser und zu Quarantänemaßnahmen von Heimbewohnern und Heimbewohnerinnen. Darüber hinaus ändert sich nicht viel. Bund und Land wollen das öffentliche Leben langsam weiter öffnen.
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21.–30. April: Der Gemeinnützige Verein zu Travemünde gibt die Verschiebung des Termins zur Verleihung des Bürgerpreises bekannt. Dieser wird immer auf der Jahreshauptversammlung vergeben. Aufgrund der durch die Pandemie auferlegten Auflagen für Versammlungen muss die Jahreshauptversammlung verschoben werden.
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Die 131. Travemünder Woche wird abgesagt. Die Landesregierung hat bis zum 31. August alle Großveranstaltungen untersagt. Eine Verkleinerung der Veranstaltung ist ebenso wenig zu realisieren, wie eine Verlegung in den Herbst.
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Das Haus der Jugend muss seinen Friendship-Cup absagen. Man hofft, das im Veranstaltungsreigen in Travemünde nicht mehr wegzudenkende Turnier, in den Herbst verlegen zu können. Es findet in diesem Jahr zum 20. Mal statt.
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Schiffswerft Horn in Wolgast. Es ist 11:00 Uhr. Nach einer rund viermonatigen Werftliegezeit läuft das Seenotrettungsboot „Hans Ingwersen“ Richtung Heimathafen Travemünde aus. Um 21:00 Uhr legt die von den Seenotrettern liebevoll genannte „Inge“ an ihrem angestammten Platz neben den Lotsenbooten an. Sie hat eine turnusgemäße Generalüberholung hinter sich. Neue Technik ist auch hinzugekommen. Unter anderem eine neue elektronische Seekarte, LED-Positionslaternen und neue Seefunkgeräte.
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03.–06. Mai: Und wieder neue Regelungen: Museen, Galerien und Spielplätze werden wieder geöffnet. Allerdings unter strengen Hygienemaßnahmen. Bei der Kinderbetreuung in Kindertagesstätten u. ä. gibt es keine wesentlichen Lockerungen. An Schulen wird zum Teil stufenweise beschult. Ansonsten bleibt es beim Homeschooling.
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Kaum ist die „Hans Ingwersen“ zu Hause, kommt es zu einem ersten Einsatz. Ein Einsatz der besonderen Art. Die Meldung lautet: Reh vor dem Travemünder Hauptstrand in Not. Bald ist das Tier entdeckt. Als ob es ahnt, dass dieses Boot Rettung verspricht, schwimmt es direkt auf das Boot zu. Die Mannschaft hievt das nicht ganz leichte Reh sanft, aber bestimmt an Bord. Es wirkt erschöpft, erholt sich aber recht schnell. An Land gibt es Unterstützung durch die herbeigerufene Wasserschutzpolizei, um das Tier gut an Land zu verbringen. Durch einen ebenso alarmierten Jagdausübungsberechtigen wird es in Augenschein genommen und in den Wald gebracht.
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09.–17. Mai: Eine etwas andere Art der Eröffnung der WindArt. Ganz im Zeichen der momentanen Umstände wird die WindArt ohne Publikum eröffnet. Es ist bereits die zwölfte Ausstellung. Wieder können von Mai bis Oktober Kunstwerke betrachtet werden, die mit dem Wind spielen oder er mit ihnen.
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Die Ausgabestelle Travemünde der Lübecker Tafel muss eingeschränkt helfen. Die Helfer und Helferinnen geben die von der Lübecker Zentrale in Tüten verpackten Lebensmittel an die Kunden in der Ausgabestelle Travemünde weiter. Das große Problem dabei: Frische Lebensmittel sind nicht verfügbar.
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Trotz allem beginnt die Saison für die Wasserretter der DLRG planmäßig. Die Türme sind besetzt. Für diesen Sommer sind alle Maßnahmen für die Reduzierung des Risikos von Infektionen für die Rettungskräfte bei der Arbeit und Unterbringung zu berücksichtigen. Auch im Falle der Rettung gibt es solche Maßnahmen hinsichtlich der zu Rettenden.
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Die Öffnung der Gastronomie ist unter Einschränkungen wieder zugelassen. Dies gilt auch für Hotels. Auch hier gilt: Hygienemaßnahmen sind einzuhalten.
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18.–21. Mai: Es gibt Künstler, die ihrer Kreativität in Skulpturen und anderen Objekten aus Bauschaum freien Lauf lassen. Man findet viele Anregungen im Internet zu diesem Thema. Die Bedarfstaste an einer Ampel damit unbrauchbar zu machen ist Sachbeschädigung und schadet der Allgemeinheit. So geschehen an der Fußgängerampel am Baggersand.
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Die Priwall VI beginnt nach fast zwei Jahren Pause wieder ihren Dienst. Nun ist wieder ein barrierefreier Zugang zum Priwall über die Norderfähre möglich. Allerdings richtigerweise mit Abstand und Mundschutz an Bord.
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Die „Hans Ingwersen“ eilt einer steuerlosen Yacht zu Hilfe. Sie nimmt diese in Schlepp und bringt sie sicher in den Hafen. Wieder ein Eintrag in der umfangreichen Liste der Einsatzberichte. Alle Beteiligten sind immer froh, wenn es sich nur um materielle Schäden handelt und kein Mensch zu Schaden kommt.
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Das verlängerte Wochenende über Christi Himmelfahrt wird zum ersten Stresstest. Er gelingt. Tourismus unter Pandemiebedingungen. Die Allermeisten halten sich an die Regeln.
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27.–31. Mai: Im Paketshop in der Möwengasse ist nun auch der Verkauf von Postprodukten, die Annahme von Briefsendungen sowie die Abholung benachrichtigter Sendungen möglich. Der Shop wird zur Partnerpostfiliale.
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Im Landschaftsschutzgebiet auf dem Priwall werden neun acht- bis zehnjährige Schwarzkiefern von Unbekannten gefällt. Es werden polizeiliche Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Verstöße gegen Naturschutz-Vorschriften aufgenommen.
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Die DGzRS sagt ihren Tag der Seenotretter ab. Somit fällt auch dieser Tag in der Station in Travemünde aus.
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Da staunten die Passanten in der Vorderreihe nicht schlecht. Vor ihren Augen ist eine Motoryacht am Sinken. Das Heck bekommt Grundberührung und die Yacht bleibt liegen. Es gelingt herum schwimmendes Interieur zu bergen. Die Feuerwehr legt noch eine Ölsperre um die Yacht. Profitaucher befestigen Hebesäcke. Es gelingt den Bergungskräften das Schiff wieder normal auf dem Wasser zu liegen zu bekommen.
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„Das ist mit Abstand der schönste Kurzurlaub“. Diese Redewendung bekommt in diesem Jahr einen zweiten Sinn. Es wird an Pfingsten voll in Travemünde. Bei uns setzt man auf Rücksichtnahme und Einsicht. Um auf der Promenade den Durchlauf am Engpass an der Lotsenstation zu regulieren, wird dieser mit einer „Einwegeführung“ versehen. Also vor der Station zur Strandpromenade und hinter dem Gebäude des WSA zurück. Eigentlich nicht schwer. Wird aber von zahllosen Menschen ignoriert, oder aber auch nicht verstanden. Es wird Sicherheitspersonal eingesetzt. Nun funktioniert es. Ansonsten werden von der Mehrzahl der Leute alle Regeln eingehalten. Manchmal sind die örtlichen Begebenheiten – auch aufgrund des Besucheransturms – allerdings nicht so, als das man dies immer kann – auch wenn man wollte. Die Polizei spricht ihrerseits von einem ruhigen Verlauf des Pfingstwochenendes. Bald beginnen die Ferien. Man sollte an entscheidender Stelle über den in früheren Zeiten in Travemünde oft gesprochenen Satz nachdenken: Rien ne va plus!
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01.–06. Juni: Die „Passat“ öffnet wieder für Besichtigungen. Nun können die Gäste wieder in die Zeit der frachttragenden Segelschiffe eintauchen, sich informieren und an Oberdeck ein bisschen von der Ferne, in die diese Schiffe segelten, träumen.
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Die zweite Sandskulpturenausstellung findet statt. Die Künstler, unter ihnen Welt- und Europameister im Sandskulpturenbau, haben aus rund 10.000 Kubikmetern Spezialsand eine Märchenwelt geschaffen. In 39 Bildszenen findet man 50 Figuren aus den verschiedensten Märchen u. a. von den Gebrüdern Grimm und von Hans Christian Andersen. Und einer sagenhaften Gestalt aus Travemünde begegnet man auch: Dem Riesen Möves.
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Große Veranstaltungen wird es längere Zeit nicht mehr geben. Kleinere starten aber schon. So gibt es Theater, Lesungen und Konzerte für fünfzig Personen im Brügmanngarten. Das Motto lautet „Travemünde-Sommerfrische am Meer“. Auch Fitness zur Entspannung am Strand kann man erleben. Organisiert und umgesetzt wird dies alles von der Lübeck und Travemünde Marketing GmbH in Zusammenarbeit mit örtlichen Akteuren wie dem Theater Lübeck, dem Kulturbüro Lübeck und dem YogaZentrum Travemünde.
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Tagespflege-Einrichtungen nehmen wieder ihren Regelbetrieb auf. Die Besuchsregeln in Pflegeeinrichtungen ermöglichen wieder den Kontakt mit den Angehörigen. An den Grundschulen wird ebenso wieder der Regelbetrieb aufgenommen.
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07.–09. Juni: Es gibt Themen, welche einfach drohen Dauerbrenner zu werden. Auch in diesen Notizen tauchen sie nochmal auf: Die Bänke am Wochenmarkt. Wohl ein letztes Mal. Der Bauausschuss hat am zweiten März beschlossen die Bänke alle mit Rückenlehnen zu versehen und ebenso Mülleimer zu platzieren. Nun mahnt auch der Ortsrat Umsetzung an. Die Bänke bekommen ihre Lehnen. Sie sind richtig herum angebracht. Das ist nun erledigt. Die Mülleimer könnten noch einmal zum Thema werden. Noch sind sie nicht da.
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Der eingeschränkte Betrieb der Ausgabestelle der Lübecker Tafel ist aufgehoben. Die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen können nun wieder im normalen Rhythmus einmal die Woche Lebensmittel an Bedürftige ausgeben. Eine Änderung im Team wird es geben. Der bisherige Leiter Peter Faasch und seine Ehefrau Jutta ziehen sich zurück. Die Ausgabestelle gibt es schon seit zehn Jahren. So lange sind sie dabei. Für eine Nachfolge ist gesorgt.
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Die geplante dritte Priwall-Fähre für Fahrzeuge soll laut Beschluss des Aufsichtsrates der Stadtverkehr Lübeck GmbH eine hybrid angetriebene Fähre werden. Eine rund 60%ige Einsparung der bisherigen CO2-Emissionen, bezogen auf die jetzigen Fähren, soll dadurch erreicht werden. Zum Frühjahr 2022 soll die Fähre zum Einsatz kommen. Sobald die Entwicklung von Wasserstoffantrieben serielle Reife erreicht hat, ist diese Fähre umrüstbar.
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17.–20. Juni: Bei dem im Passathafen liegenden Rettungsboot der DLRG versuchen unbekannte Täter den Motor zu stehlen. Bei dem Versuch beschädigen sie Boot und Motor in einer Weise, dass das Boot nicht mehr einsatzfähig ist. Das der Rettung von Badenden in Not dienende Rettungsboot fällt erst einmal aus.
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Alle Bereiche der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland vereinigen sich zu einer übergreifenden Interessen- und Arbeitsgemeinschaft und initiieren die „Night of Light“. Ein einziges riesiges Lichtmonument soll entstehen. In allen Standorten der Unternehmen werden Orte von Veranstaltungen, Kongresshäuser, Tagungshotels, Theater, Philharmonien, Konzerthallen, Schauspielhäuser sowie ausgewählte Gebäude und Bauwerke rot illuminiert. Die Veranstaltungsbranche will damit auf ihre prekäre Situation durch die Pandemie aufmerksam machen. Lübeck und Travemünde sind dabei. Denn auch bei uns gibt es Betroffene. Als Gebäude wird die Villa Mare ausgewählt und in rotes Licht getaucht.
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In der Reihe „Kulturland Schleswig-Holstein“ des Landtages und der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) findet eine Ausstellung zum Thema „Badesaison! Seebäderkultur an Nord- und Ostsee“ im Landeshaus statt. Vier Museen sind an der gemeinsamen Themenausstellung beteiligt und stellen hierfür Exponate zur Verfügung: Das Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum (Wyk/Föhr), das Museum Kunst der Westküste und die Exponate aus der Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und unser Seebadmuseum Travemünde.
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Sabine Haltern/GVT
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