Wie der Dr.-Zippel-Park zu seinem Namen kam
In diesem Jahr sind es 66 Jahre her, seit der im vergangenen Jahrhundert um die Parkallee angelegte Badegarten die Bezeichnung „Dr. Zippel-Park“ erhielt.
Und das kam so:
Die als ältester Verein in Travemünde im Jahre 1843 gegründete Liedertafel hatte mit ihren Jubiläumsfesten nicht immer Glück. Zwar konnte im 19. Jahrhundert noch umfangreich gefeiert werden, aber die dann folgenden Termine 1918 und 1943 fielen beide in die Weltkriege und die Feiern fielen daher aus.
Als dann nach dem Zusammenbruch 1945 das kulturelle Leben in Travemünde langsam wieder in Gang kam, war die Liedertafel so stark, dass sie im Jahr 1952 (Jubiläum 150 Jahre Seebad Travemünde) ein bedeutendes Sängerfest aufziehen konnte. Diese erfolgreiche Veranstaltung gab den Mut, das Stiftungsfest im Januar 1953 groß zu begehen. Dieser Festball ging für viele Jahre als das Travemünder Winterfest in die Ortsgeschichte ein.
Am 11. Januar 1953 wurde eine Feierstunde veranstaltet, an der neben vielen Abordnungen örtlicher und benachbarter Vereine und des Sängerbundes auch der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck mit mehreren Senatoren teilnahmen. Nach der Feierstunde begaben sich die Teilnehmer zu dem am Mittelweg des Badegartens errichteten Granitfindling (dort steht er noch heute), dessen Aufstellung die Liedertafel zum Gedächtnis an ihren verstorbenen Ehrenchormeister Dr. Hermann Zippel veranlasst hatte. Der Bürgermeister übernahm den Stein in die Obhut der Stadt und verfügte gleichzeitig die Umbenennung in „Dr.-Zippel-Park“. Und aus der Innenallee wurde die Parkallee.
Dr. Hermann Zippel – „Verdienter Travemünder Arzt“
Diese Inschrift stand auf zwei hölzernen Hinweistafeln, die im Jahre 1989 am Eingang des Parks aufgestellt wurden. Heute gibt es sie nicht mehr, stattdessen steht an der Außenallee ein unscheinbarer Stein mit kaum lesbarer Aufschrift seines Namens. Ein verdienter Travemünder Arzt, damit ist sein Lebensbild und seine Persönlichkeit nur unvollkommen bezeichnet.
Am 2. Februar 1864 wurde er als Sohn eines einfachen Spinnereiarbeiters im sächsischen Vogtland geboren. Fleiß und Begabung, sowie die Unterstützung auf ihn aufmerksam gewordener Bürger und Ärzte ermöglichtem ihm ein Medizinstudium in Leipzig. Sein Wunsch Landarzt zu werden erfüllte sich erst 1896 als er im mecklenburgischen Dassow die Vertretung in einer Praxis übernahm. Dann wurde ihm die frei gewordene Stelle des Travemünder Badearztes angeboten, und schon hatte er seine Wahlheimat Travemünde gefunden.
Hermann Zippel war außerordentlich musikalisch und mit einem ausgeprägten Gemeinsinn versehen.
Diese beiden Eigenschaften halfen ihm, dass das Mißtrauen der Travemünder „Nordlichter“ ihm gegenüber nicht nur abgebaut, sondern er auch voll in ihr Gemeindeleben aufgenommen wurde. Und Dr. Zippel lohnte es mit seinem vollen Einsatz als Arzt und Bürger. Er war ein begeisternder Mann, der alle mitriss.
Er schloss sich den das Travemünder Kultur- und Gemeindeleben prägenden Vereinigungen an und übernahm leitende Positionen. Seine besondere Liebe galt der Musik und dem Sport. Als Student hatte er schon in einer akademischen Sängerschaft gesungen.
1920 kam es unter der Leitung von Dr. Zippel zu einem gemeinsamen Singen des Kriegervereins und der Liedertafel, die bis dahin nur unregelmäßig sang. Damit begann eine große Zeit des Singens in Travemünde. Von 1920 – 1935 war er zunächst Chormeister und dann Ehrenchormeister der Liedertafel.
Sehr aktiv war er auch im sportlichen Bereich. Er war Vorsitzender des MTV, dem Vorläufer des TSV, und wurde 1918 Ehrenvorsitzender. Er war Vorturner in einer Altenriege, Mitglied im Kirchenvorstand, im Gemeinnützigen Verein und anderen Wohlfahrtsverbänden, leitete eine Theatergruppe und gehörte bis 1912 als Abgeordneter der Travemünder Bürgerschaft an.
Vor allem aber war Dr. Zippel als „praktischer Arzt“ geschätzt. Tag und Nacht, bei jedem Wetter, radelte er mit seiner großen Arzttasche zu seinen Patienten, half jungen Müttern bei der Geburt eines neuen Erdenbürgers und gab manchem Sterbenden das Geleit bei seiner letzten Stunde.
Und immer hatte er zum richtigen Zeitpunkt ein fröhliches oder tröstendes Wort auf den Lippen.
Der Junggeselle lebte mit seiner Mutter, die er in hohem Alter zu sich genommen hatte, und einer Hausdame in der Vorderreihe 24. Das Vorgängerhaus mit Veranda, Klönbank und wunderschönen Teerosen steht nicht mehr. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel an den früheren Bewohner.
Dr. Zippel war aber auch fortschrittlich eingestellt und hielt viele Vorträge, u. a. über Schwangerschaft, die von den Ehemännern misstrauisch beobachtet wurden, weil sie meinten, er würde die Frauen ängstlich machen. In diesem Zusammenhang soll er einmal gesagt haben, seine Zuhörer seien leider nicht alle wissbegierig, sondern nur neugierig.
Er kannte auch die Not der Armen und Alten, und nach seinem Tode fand man bündelweise unbezahlte Rechnungen, die der menschenfreundliche Arzt von Bedürftigen nicht eingefordert hatte. Während des 1. Weltkrieges war er als Feldarzt tätig und packte nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Gefangenschaft beim Bau des Ehrenmals am Kalvarienberg selbst mit Hacke und Spaten an. Manchem jungen Travemünder half er finanziell bei der Berufsausbildung.
Er starb am 16. Juli 1935 in Hamburg an einem Krebsleiden. Eine Schilderung seiner Beerdigung lautet: „Bei seinem patriarchalischen Verhältnis zu den Travemündern gestaltete sich die Heimführung des Toten unter Glockengeläut, Flaggenehrung – selbst die Schiffe im Hafen hatten halbstock gesetzt – von der Torstraße, an seinem Wohnhaus vorbei, zum Ehrenmal und zum Friedhof zu einem Tag tiefer Trauer und echter Liebe und Dankbarkeit zu diesem einmaligen Menschen. Neben seiner Mutter bettete man ihn zur ewigen Ruhe.“ Sein Ehrengrab, leider sehr ungepflegt, befindet sich noch heute auf dem Travemünder Friedhof.
Als 1953 der Gedenkstein im Dr. Zippel-Park enthüllt wurde, sagte der Vorsitzende des Gemeinnützigen Vereins in seiner Rede: „Und wenn dann unsere Kinder und Enkel fragen, wer dieser Dr. Zippel gewesen sei, so werden wir ihnen antworten: Bewahret das Andenken an diesen Mann, denn er war ein guter Mensch.“
Außer auf dem Friedhof wird das Andenken an den „Doktor“ noch heute an drei Stätten Travemündes wachgehalten: Im oberen Flur des Treppenhauses der Stadtschule Travemünde durch die Bronzebüste von der Hand des Travemünder Bildhauers Erich Prüssing, der auch die Kinderplastik über dem Schuleingang schuf. Zum anderen erinnert an Dr. Zippel die vom Lübecker Künstler Otto Manzel gefertigte Reliefplastik im Eingang zum früheren Wohnhaus des Arztes in der Vorderreihe, und seit dem 11. Januar 1953 trägt ein Teil des Kurparks zwischen Außenallee und Ehrenmal auf Veranlassung der Travemünder Liedertafel den Namen „Dr. Hermann Zippel-Park“, als Altbürgermeister Passarge den dort gesetzten Granitstein in die Obhut der Stadt nahm.
Der Dr. Zippel-Park war Teil des Kurparks, der das Leuchtenfeld mit einschloss. Von hier über den Ziegelberg, heute Kalvarienberg genannt, erstreckten sich ausgedehnte Rosenkulturen, die Travemünde damals so berühmt machten wie die Rosenzucht das heutige Pinneberg. Er war einer der schönsten Plätze des Badeortes gewesen und wurde seitens der Kurverwaltung besonders liebevoll gepflegt.
Am Eingang des Dr. Zippel-Parks Am Lotsenberg ist auf dem Gelände der ehemaligen Bücherei und des Stadtteilbüros ein Hotelneubau geplant. Die Gäste werden sicher auf ihrem Weg zum Strand und zur Promenade durch den Park spazieren. Es wäre wünschenswert, wenn die Parkanlage ähnlich schön hergerichtet werden könnte wie der Godewindpark. Die Anlage könnte es gut gebrauchen. Moderne Hinweisschilder bezüglich des Namensgebers sollten nicht fehlen. Sicher spreche ich auch für Travemünder und interessierte Gäste unseres schönen Seebades.
Monika Raddatz
Quellen: 25 Jahre Dr. Zippel-Park/Bruno Groth 1978
Dr. Hermann Zippel/Helmuth Wieck 1989
Festschrift 150 Jahre Travemünder Liedertafel, 1993
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