Travemünder Häuser Nr. 49
Kurgartenstraße Nr. 11 und 13
Die Kurgartenstraße zwischen der „Rose“ und dem „Hirtengang“ zeigt jetzt nach langer Bauzeit ein neues Straßenbild. Die alte Kopfsteinpflasterung vor den Häusern auf der linken Seite mußte einem neuen breiten Fußweg weichen. Auf diesem Straßenabschnitt sollen wieder Bäume angepflanzt werden, ein Anblick, an den sich alte Travemünder noch gut erinnern. Die alten Bäume mußten damals gefällt werden, weil die ziemlich alten Häuser an die Kanalisation angeschlossen wurden. Bis dahin sind die Fäkalien entweder durch eigene Sickergruben entsorgt oder in speziellen Behältern gesammelt und von städtischen Fuhrwerken regelmäßig abgeholt und entsprechend entsorgt worden.
Jetzt soll es also dort wieder wachsen und grünen, nachdem die Straße sowohl unter- als auch oberirdisch auf den neuesten Stand gebracht wurde. Die Anwohner und Geschäftsleute sind froh, denn sie haben während der Bauzeit doch sehr gelitten, wenn auch das dicke Ende noch auf sie zukommt, wenn die Stadt Lübeck die Rechnungen für die Kostenbeteiligung der Anlieger präsentiert.
Die Kurgartenstraße hieß ja ursprünglich „Hinterreihe“. Ihren neuen Namen bekam sie erst, als sich Travemünde ab 1802 zum Ostseebad entwickelte und immer mehr Travemünder Bürger während der Saison Kurgäste aufnahmen, um etwas Geld dazu zuverdienen. Als „Hinterreihe“ hatte die Straße keinen so besonders guten Ruf. Es wurde ihr nachgesagt, daß die Zustände ziemlich chaotisch gewesen sein sollten. In einer alten Beschreibung tauchte sogar der abfällige Satz auf, daß sich „Kinder und Schweine im Dreck der Straße tummelten!“ Dieser Zustand hat sich ja nun grundlegend geändert und jetzt macht die Straße ihrem Namen alle Ehre, ja lädt geradezu zum Flanieren ein. Die Gäste müssen diese Einladung nur annehmen.
Die Hinterreihe war früher das Quartier der „kleinen Leute“. Hier wohnten neben Handwerkern, die auch ein bißchen Landwirtschaft betrieben, auch die wenigen Stadtsoldaten mit ihren Familien. Die Fischer hatten die Häuser meist dicht an der Trave, wo ihre Boote lagen. 1477 brannte Travemünde fast völlig nieder. Kaum hatten die Bewohner ihre damals noch mit viel Holz gebauten Häuser wieder gerichtet, wurde das Städtchen 1522 erneut eingeäschert. Durch Funkenflug aus einer in Brand geratenen Brauerei sorgten explodierende Orlogschiffe (Kriegsschiffe), die im Hafen lagen, für ein verheerendes Feuerwerk. So ging es munter weiter. 1534 ließ der Rat der Hansestadt Lübeck das Städtchen abbrennen, aus Furcht, daß Christof von Oldenburg sich an der Travemündung festsetzen würde. Und schließlich wurden 1549 fast 70 Häuser in Schutt und Asche gelegt, darunter auch die Vogtei.
Danach hatte Travemünde die Nase voll. Mit Feuerschutzbestimmungen, die sowohl den Bau neuer Häuser, als auch die Brandbekämpfung betrafen, versuchte die Obrigkeit, weitere Katastrophen zu vermeiden, und tatsächlich blieb man von diesem Zeitpunkt an von großen Bränden verschont. Aus diesem Grund sind alle Häuser in der alten Hinterreihe zwischen 1600 und 1700, manche natürlich auch später entstanden und meistens aus Ziegelsteinen gebaut.
Auch unsere beiden Häuser stammen aus dieser Zeit. Gänge zwischen den Gebäuden sollten ein Übergreifen der Flammen verhindern. Man hielt sich später zwar nicht immer an die Bestimmungen, jedenfalls scheint das Haus Nr. 11 in eine zu groß geratene Lücke regelrecht hineingequetscht worden zu sein, denn Baugrund war in der Innenstadt im Schutze der Stadtmauern sehr gefragt.
So entstand das schmalste Haus von Travemünde. Wer es gebaut hat, ist nicht mehr bekannt. Nach Stil und Bauweise dürfte es aber mindestens 300 Jahre alt sein. Anfang der 30 Jahre wohnte der Yachthafenmeister Peters mit seiner Familie in diesem Haus. Als „Hafenkapitän“ des Yachtclubs war er verantwortlich für die Verteilung der Hafenplätze, der Bekanntmachungen und Mitteilungen auf der dafür vorgesehenen Tafeln während der Regatten oder anderer Veranstaltungen. Er war also ein wichtiger Mann.
Vor wenigen Jahren wurde das Gebäude von innen und außen bis unters Dach renoviert und modernisiert und bot damit Platz für eine nicht zu große Belegschaft. Jetzt bewohnt Familie Sifferlien das schmalste Wohngebäude Travemündes. Sie haben es von Herrn Werner Foth übernommen.
Das Nachbarhaus Nr. 13 ist erheblich niedriger. Mit etwas Fantasie bieten beide Anwesen den Anblick einer kleinen Kirche, bei der die Nr. 11 den Turm darstellt.
Das Haus Nr. 13 hat früher anders ausgesehen, wie unsere Abbildung aus der Zeit um 1900 zeigt.
Der entscheidende Umbau erfolgte 1946, als das Haus aufgestockt wurde.
Der Denkmalschutz mußte der Wohnungsnot weichen. Über das Alter gibt es überlieferte Aussagen. Es könnte ungefähr 400 Jahre alt sein, etwa gebaut nach dem letzten Brand und der gewaltigen Sturmflut von 1625, die auch in der damaligen Hinterreihe große Schäden, besonders an den Fundamenten der Gebäude, anrichtete. Zur historischen Ergänzung: Der Kirchturm der St. Lorenz-Kirche wurde 1620 fertiggestellt.
Genauere Angaben gibt es erst seit 1900, die uns dankenswerterweise von Frau Elsa Meyer, geb. Dücker, der Mutter des jetzigen Hauseigentümers Carsten Meyer, zur Verfügung gestellt wurden.
Im April 1919 ging das Gebäude in das Eigentum von Friedrich Dücker und seiner Frau Anna über, die zusammen mit Peter Lehnert, der hier eine Gärtnerei und ein Blumengeschäft eingerichtet hatte, in d em Haus lebte und arbeitete. Peter Lehnert betrieb seine Gärtnerei bis Februar 1969 und gab sie aus Altersgründen an Roland Wawrziniak ab: 1946 wurde das Haus, wie schon erwähnt, von Ernst und Martha Dücker aufgestockt. Seit 1989 nun befindet sich die Friedhofsgärtnerei von Carsten Meyer, dem Enkel von Ernst und Martha Dücker, in der Kurgartenstraße 13.
Am 3. März 2001 zog das Bestattungshaus Wendt in das Erdgeschoß ein. Herr Ulrich Wendt bietet für den Todesfall alle Dienste an, die für die Angehörigen notwendig werden. Er steht für persönliche und fachgerechte Beratung immer zur Verfügung. Die in der Kurgartenstraße 13 so nun entstandene Kombination von Bestattungshaus und Friedhofsgärtnerei ist natürlich sehr vorteilhaft.
Beide Häuser machen trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch einen äußerst soliden Eindruck. Daß sie noch einige Jahrhunderte überstehen, ist also durchaus möglich. Vorerst wollen wir ihnen und ihren Bewohnern für die nähere Zukunft in der neugestalteten Kurgartenstraße alles Gute wünschen.
Helmuth Wieck
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